Samstag, 15. September 2012

14.9.12 Im Banne der Drei Türme, 14.9 Kilometer, 782 HM (Nachtrag)

Es mag an dem schlechten Wetter gelegen haben, wahrscheinlich auch an der eher geringen Auslastung der Hütte: Ich habe wirklich gut geschlafen. Beim Blick aus dem Fenster zeigt sich schönstes Winterwetter: die Bergketten ringsum ganz klar und weiß überzuckert, der Himmel blau und wolkenlos. Mit Minus fünf Grad ist es aber auch kalt. Beim Frühstück entscheiden wir uns, über den Bilkengrat zur Lindauer Hütte zu wandern, wo ich kurzfristig noch reserviert hatte. Eigentlich war für heute, ursprünglich sogar für gestern ein Aufstieg zur Sulzfluh (2.818 m) geplant: der Gipfel war sozusagen das Ziel unserer Rätikon-Tour. Aber der Hüttenwirt hatte uns gleich am Vorabend unserer Illusionen beraubt: dort oben könnten 30-40 cm Neuschnee liegen, der nicht sofort wegtaut; er riet uns von der Gipfelbesteigung am Folgetag ab. Als Neulinge in den Alpen respektieren wir eine solche Empfehlung. Unser Weg ist ohnehin anspruchsvoll genug: an einigen Stellen hat es getaut, ist wieder überfroren und es ist oft glatt. Der Weg führt in respektabler Höhe entlang und erfordert Konzentration. In der Morgensonne sehen wir den Gipfel der Sulzfluh ganz deutlich: wir haben sozusagen auf ihrer Schulter genächtigt und er sieht verführerisch nah aus, wenn auch schneebedeckt und unberührt. Da sind wir schon etwas traurig, auf den Gipfel verzichten zu müssen, aber es ist die einzig vernünftige Entscheidung. Das Panorama um uns herum tröstet uns über den Verzicht hinweg: Schnee, Sonne, klare Sicht und blauer Himmel sind einfach überwältigend. Wir sehen die Zimba, die Schesaplana und die Drei Türme, die „drei Zinnen des Montafon“. Ein schönes Foto von ihnen machen zu können, war mein großer Wunsch gewesen. Nun stehen wir ihnen schon früh am Morgen gegenüber, während sie von der Sonne beschienen werden, und mit jeder Serpentine werden sie schöner und faszinierender wirken. Fasziniert sind wir auch von der Herde Gämsen, die über uns an einem Gipfelchen versammelt sind und auf uns herunter schauen. Es folgt eine kurze drahtseilgesicherte Passage, ehe es in Kehren weiter bergab geht. Tief unten im Tal können wir schon die Lindauer Hütte sehen. Als wir uns endlich weiter unten im Wald befinden, scheint die Sonne warm und wir ziehen Jacken, Mützen und Handschuhe aus. Überall tropft es von den Bäumen. In der Lindauer Hütte machen wir eine kurze Pause. Die Quartiere werden erst ab 15 Uhr eingeteilt; deshalb machen wir uns noch einmal auf den Weg. Kurzentschlossen gehen wir Richtung Drusator – was sollten wir sonst tun? Der Blick auf die Drusentürme lässt kaum einen anderen Wunsch zu. Wieder geht es regelmäßig bergauf und wir kommen den Türmen schnell näher. Nachdem wir eine Weile gegangen sind, kommen wir an einen Wegweiser. Links geht es markiert weiter zum Drusator, einen Übergang in die Schweiz. Rechts herum führt ein unmarkierter Steig zu den Drei Türmen. Ich wünsche mir, noch ein Stück dort entlang zu gehen, und tatsächlich finden wir den Weg mit alten Markierungen und Steinmännchen ganz gut. Der Weg wird recht steil, ist aber gut begehbar. Bezüglich unserer Gewöhnung an die Höhe konnten wir direkt an den vergangenen Urlaub vor einem Jahr anknüpfen: wir kommen gut zurecht. Aber besteigen möchten wir die Türme (Mittlerer und Großer Drusenturm sind über anspruchsvolle Steige erreichbar) noch nicht: wir haben einfach zu viel Respekt vor diesen Erhebungen und Schneereste bedeuten: keine guten Verhältnisse für Anfänger auf Touren, wo Erfahrene bei diesen Verhältnissen Eispickel dabei haben sollten. Ein Stückchen unterhalb des Sporaturms machen wir Rast, erfreuen uns an der Aussicht auf die umliegenden Berge und das Gauertal – und steigen langsam wieder ab. Die Trittspuren, denen wir folgen, führen allerdings Richtung Drusator, was wir zu spät bemerken. Wir folgen dem Pfad, statt umzukehren, und erreichen noch unterhalb des Drusatores den rot-weiß markierten Wanderweg, dem wir abwärts zur Hütte folgen. Was für eine Alternative zur Sulzfluh! Wir waren den Türmen so nahe, wie ich es mir kaum erträumt habe – und das bei herrlichem Sommerwetter. Weil wir so gut unterwegs waren, erwägen wir beim Abstieg zur Hütte, unsere geplante Route zu ändern – denn den Weg Richtung Drusator kennen wir nun schon. Auch eine Besteigung der Sulzfluh scheint nach diesem Erlebnis nicht mehr so abwegig zu sein. Beim Abendessen in der Lindauer Hütte schaffe ich eine ganze Portion Späzzle mit Gulasch, und das ist auch gut so: wir haben uns den Aufstieg zur Sulzfluh nun schon vorgenommen. Bei unserem Abendspaziergang sehen wir, wie das letzte Sonnenlicht hinter den Drei Türmen verlischt.

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