Montag, 22. September 2014

Breithorn

Während meiner Recherchen zu diesem Urlaub kam mir irgendwann der Gedanke: es gibt so viele Viertausender um Zermatt – ist da nicht auch einer für uns dabei? Und tatsächlich: da kam einer in Frage, das Breithorn, dessen Westgipfel als leichtester Viertausender der Alpen gilt.

Seitdem habe ich mich immer wieder mit der Frage beschäftigt: Können wir das wagen? Wie sollten wir uns vorbereiten? Welche Ausrüstung benötigen wir? Außerdem stand für mich fest: eine Tour auf einen Viertausender kommt nur mit Bergführer, idealerweise in einer Gruppe, in Frage. Im Alpincenter in Zermatt, wo geführte Touren angeboten werden, riet man mir, einen Zeitraum für die Tour zu benennen und dann würde man sehen, ob das Wetter passt und eine Gruppe zusammen kommt.

Bei unserer Anreise in Zermatt war nicht das Matterhorn, sondern das Breithorn der erste Gipfel, den ich schon vom Zugfenster aus erkennen konnte. Und natürlich sahen wir immer wieder mit großem Interesse zu ihm auf. Bei unserer Höhbalmen-Tour konnten wir auch Menschen auf dem Gipfel erkennen. Auch wenn das Breithorn von Klein Matterhorn aus als relativ leicht zu besteigen gilt und obwohl es Leute gibt, die den Gipfel deswegen verschmähen, ist es doch ein wirklich hoher Berg, vor dem wir großen Respekt hatten und immer noch haben.

Wir waren bereits für die heutige Tour vorgemerkt, sind aber gestern – noch vor unserer Matterhorn-Glacier-Wanderung – schon einmal bis Klein Matterhorn gefahren. Von der Bergbahn und von der Aussichtsplattform aus wirkte der „sanfte Riese“ geradezu einschüchternd. Wir konnten auch Gruppen beim Aufstieg beobachten, die Menschen sahen winzig aus an dem gewaltigen Hang. Nach einigem Überlegen, auch kurzen Bedenken überwog das Interesse an der Tour und wir buchten gestern Nachmittag fest. Wir hatten doppelt Glück: eine Gruppe war zusammengekommen, und die Wetteraussichten waren geradezu ideal. Nachts und am Morgen gab es etwas Regen, aber als wir kurz nach acht Uhr die Ferienwohnung verließen, war es bereits sonnig, der Himmel war klar und die Sicht auf alle Gipfel ringsum war phänomenal.

Treffpunkt war an der Talstation der Bergbahn und als alle sechs Leute zusammen gekommen waren, fuhren wir hinauf, um oben bei Klein Matterhorn unseren Bergführer zu treffen. Ein wenig erschrak ich ja, weil außer mir nur Männer in der Gruppe waren. Aber wir hatten uns ja gut vorbereitet: unsere bisherigen Gipfeltouren und die beiden Hüttenübernachtungen waren zwar für sich allein auch schöne Erlebnisse, waren aber auch auf das Breithorn „zugeschnitten“. Und bei dem herrlichen Wetter überwog sofort die Vorfreude. Ich bin immer aufgeregt vor einer Gipfeltour, so war es auch dieses Mal. Aber als wir dann allesamt angeseilt waren und uns auf den Marsch machten, machte es nur noch Freude – und das sollte auch während der gesamten Tour so bleiben.

Am Breithornplateau pfiff ein eisiger Nordwind, aber wir waren alle warm angezogen (die Ausrüstungstipps im Bergführerbüro waren gut gewesen) und wenn man da so bei blauem, fast wolkenlosen Himmel in der Sonne über den Schnee geht, die Piste verlässt und es ganz still wird – das ist unglaublich schön und beruhigend. Es ist eine andere Welt dort oben im ewigen Schnee und Eis. Man ist dem Himmel nicht nur ein Stück näher – man fühlt sich schon beinahe wie im Himmel! Wir gingen eine ganze Weile in einer deutlichen Spur bis zum Bergfuß. Dort legten wir die Steigeisen an. Für die meisten war es die erste Hochtour überhaupt. Von nun an ging es etwas steiler in einigen langen Serpentinen hinauf. Das Gehen mit Steigeisen im Schnee war gut zu bewältigen und man fühlte sich auch sehr sicher, fand gut Halt, auch in den Trittspuren der Vorgänger. Es waren schon Gruppen auf dem Weg nach oben und ab und an hörte man es von oben jodeln – da waren also wieder einige oben angekommen. Das Wetter war einfach phantastisch. Das Matterhorn war völlig frei von Wolken, ebenso das Weißhorn und die umliegenden Gipfel. Man sah bis nach Italien und zum Mont Blanc. Das Tempo war langsam, ruhig und so ging es auch allen gut während des Aufstiegs. Es gab keinen einzigen Moment, an dem es mir irgendwie unheimlich gewesen wäre. Wir fühlten uns gut geführt und gut unterwegs und bald stellte sich die Gewissheit ein: ja, dies ist genau die richtige Schnupper-Hochtour für Leute wie uns! Wir waren 9.33 Uhr bei Klein Matterhorn aufgebrochen, 12.07 Uhr standen wir auf dem Gipfel mit 4.171 Metern. Auch dort oben war es kein bisschen unheimlich, auch nicht ausgesetzt. Mehrere Gruppen fanden dort Platz für eine Gipfelrast. Unser Bergführer machte auch bereitwillig Fotos von jedem Teilnehmer, der das wünschte. So gute Verhältnisse, meinte er, hat man dort oben nicht immer. Was für ein Glückstag! Die Aussicht war natürlich nicht zu toppen: man sah rundum die Alpengipfel vom Mont Blanc nach Italien, vom Berner Oberland bis zur Bernina. Zermatt unten war natürlich winzig, und selbst der Gornergrat erschien klein und spielzeugähnlich.

Gegen halb eins machten wir uns wieder an den Abstieg. Wir wurden darauf hingewiesen, breitbeinig zu gehen: das ist wichtig, damit sich die Steigeisen nicht ineinander oder an den Hosenbeinen verhaken. Aber der Abstieg ging gut und relativ zügig. Gegen 14 Uhr waren wir wieder an der Bergstation. Ein wunderschönes, einzigartiges Erlebnis war diese Tour. Erfahrenen Bergwanderern, die gern mal eine kleine Hochtour probieren möchten, können wir eine geführte Tour aufs Breithorn wärmstens empfehlen. Wir waren nur 4 ½ Stunden insgesamt unterwegs gewesen, aber das Gehen im Schnee erwies sich doch als ungewohnt und anstrengend. Wir sind 470 Höhenmeter auf – und abgestiegen, Distanz insgesamt 5,3 Kilometer.

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