Donnerstag, 24. Juli 2014

24.7.14 Knorrhütte - Zugspitzgipfel, ca. 4 km

So gut, wie wir in der Hütte untergebracht waren, hätte ich eigentlich besser schlafen müssen… die Männer hatten glücklicherweise weniger Schwierigkeiten. In der Nacht hat es Regenschauer gegeben, man konnte die Tropfen aufs Blechdach der Hütte prasseln hören. Der Morgen bot ein einzigartiges Panorama: von der Sonne beleuchtete Felsen, blauer Himmel, klare Sicht. Das wird ein Gipfeltag! Nach dem Frühstück geht es gleich aufwärts: wir starten kurz nach 7.30 Uhr, das ist eine wirklich gute Zeit. Der weitere Weg, der zunächst – wie gestern – durchaus bequem zu gehen ist, führt bergauf durchs Zugspitzplatt Richtung Schneefernerhaus. Bald müssen wir unsere Jacken ausziehen, denn die Sonne wärmt schon. Ich nähere mich der Zugspitze mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist es ein stattlicher Gipfel und natürlich zieht es mich hinauf. Andererseits ist die Zugspitze so zugebaut, so kommerzialisiert worden, dass es einfach ein Jammer ist. Der Wanderführer berichtet, dass sie früher drei Gipfel hatte. Nur der Ostgipfel ist heute noch erhalten, West- und Mittelgipfel mussten Nutzbauten weichen. Glücklicherweise wurde aus der ursprünglich geplanten militärischen Nutzung nichts. Hinzu kommen die Bahnen, mit denen jeder, der es möchte, den Gipfel erreichen kann. Eine Bahn führt von Österreich aus hinauf, auf der deutschen Seite verkehren Gondeln zwischen Zugspitze und Eibsee, außerdem die Zahnradbahn, kombiniert mit der Gletscherbahn. Auch wir nutzen die Infrastruktur, zumindest teilweise… aber das Ausmaß dessen, wie dieser Berg überrannt wird, betrübt mich. Ich tröste mich damit, dass es andere Berge gibt: die Schesaplana beispielsweise, fast exakt so hoch wie die Zugspitze. Auch dort war eine intensive Nutzung als Skigebiet vorgesehen, aber die Pläne wurden glücklicherweise aufgegeben. Jeder, der die „Königin des Rätikon“ besteigen möchte, muss es zu Fuß tun. Sie hat ihre Würde behalten. Ich bin auch deswegen etwas verstimmt, weil der bisherige Weg so leicht war. Ich vermisse es, an eine knifflige Stelle, an meine Grenzen zu kommen – das „Gatterl“ war wirklich keine Hürde. Aber man sollte die Ehrfurcht einem Beinahe-Dreitausender gegenüber nicht verlieren… ich hätte mir denken sollen, dass Wünsche manchmal in Erfüllung gehen! Schon auf der Hütte hatten andere Wanderer ein Geröllfeld erwähnt, das nur sehr mühsam zu überwinden ist. Als wir die Gondeln der Gletscherbahn nach oben schweben sehen, erblicken wir es. Es ist ein steiler Geröllhang, und wir sehen, wie die Leute auf dem Weg nach oben nur sehr langsam voran kommen. Wir beschließen, ihn „ganz ruhig und mit vielen Pausen“ anzugehen. Zunächst kommen wir auch gut voran, aber der Hang wird steiler, der Weg schwieriger, rutschiger. Es gibt kaum Kehren, man muss Spuren suchen, in denen man etwas Halt findet, aufpassen, keine größeren Brocken loszutreten, und sich gut abstützen, um nicht abzurutschen. Äußerst ungut, dieser Hang, relativ lang und ohne eine Möglichkeit zum Verschnaufen. Und es gibt mehrere Pfade und Trittspuren, nur ab und an eine Wegmarkierung… bald gehen Marcus und Lucas links am Hang, ich rechts herum, Christian folgt weiter unten. Zeitweise finde ich im groben Geröll einen besseren Halt und gehe etwas in die Mitte. Dann aber ist es dort plötzlich steiler, das Geröll wird feiner und ich gehe auf die Knie, fürchte trotzdem, den Halt zu verlieren. Schließlich robbe ich langsam und vorsichtig nach links hinüber, wo die Jungs aufgestiegen sind, denn dort sind Spuren erkennbar. Ich versuche, keine Panik aufkommen zu lassen: wenn ich hier ins Rutschen komme, geht es etliche Meter abwärts... Über mir schwebt gerade eine Gondel nach oben. Ich gebe vermutlich eine Lachnummer ab und die Insassen werden denken: schön blöd, hier zu Fuß hinauf zu wollen… und von wegen! Aber hinauf will ich auf alle Fälle! Fluchend schaffe ich es bis zur linken Wegspur, in der ich nun bleibe. Man muss sich kräftig abdrücken und das kostet Kraft. Unsere Söhne kommen den ersehnten Felsen näher und auch ich gehe weiter, so schnell ich kann: nur raus aus dem Geröll! Marcus und Lucas haben es geschafft, bald danach bin ich bei ihnen, Christian, der den schwersten Rucksack trägt, folgt nach einer Weile nach. Man kann sich hinsetzen, rasten und durchatmen. Der weitere, gut mit Seilen versicherte Weg verläuft ab hier in Kehren am Fels hinauf. Vielleicht fehlt es uns an Erfahrung mit feinem Geröll, vielleicht war unsere Sorge unbegründet – anstrengend war der Hang auf alle Fälle. Hier wäre ein Seil viel nützlicher gewesen als in den Felsen… Der weitere Weg kostet noch ein bisschen Kraft, ist aber vergleichsweise angenehm. Wir können vom Nordwestgrat aus (gesichert mit Seilgeländer) hinunter sehen bis zum Eibsee – wow! Weit unter den Kabinen der Tiroler Bahn sehen wir Leute am steilen Hang, vermutlich am Klettersteig. Mit denen möchte ich aber nun nicht tauschen! Kurz nach halb elf sind wir oben. Es fühlt sich seltsam an, das alpine Gelände hinter sich zu lassen und auf einmal mitten unter Touristen zu sein. Aus dem Wanderführer wissen wir, dass wir an allen Bauten vorbeigehen müssen, um zum Ostgipfel mit dem vergoldeten Kreuz zu gelangen. Uns ist auch bekannt, dass dort noch ein paar etwas ausgesetzte Passagen und eine Leiter zu überwinden sind. Aber wir möchten dort hinauf! Ein paar Eisenbügel und Drahtseile leisten gute Dienste, der Weg auf den schmalen Gipfel (2.962 m) ist zu bewältigen. (Die Fotos von uns dort oben stelle ich nach dem Urlaub ein.) Zurück auf der mit Geländern gesicherten Plattform, folgt erst einmal eine ausgiebige Gipfelrast. Bald aber ist das Touristengewimmel zwischen Wurstbuden und Souvenirläden nicht mehr zu ertragen und wir gehen zur Eibseebahn, um hinunter zu fahren. Wir hatten zunächst noch überlegt, bis zur Zahnradbahn zurück zu laufen, aber den Geröllhang wollen wir keinesfalls hinunter gehen. Am Eibsee haben wir Gelegenheit, in die Bahn nach Garmisch zu steigen. Die Zugspitze ist inzwischen von dunklen Wolken verhangen. Wir haben ziemlich exakt ein Schönwetterfenster erwischt, was für ein Glück! Von der Knorrhütte aus zum Gipfel haben wir 899 Höhenmeter zurückgelegt bei einer Gehzeit von etwa drei Stunden.

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