Am Morgen ist es wie so oft meine erste Tat, den Laptop einzuschalten und den aktuellen Wetterbericht zu studieren. Da das Wetter nun besser sein sollte als am Donnerstag, entscheiden wir uns, die für heute vorgesehene Schlechtwetter-Wanderung zu verschieben und eine größere Tour zu unternehmen. Wir starten wieder an der Talstation der Karwendel-Bahn, gehen zunächst in den Wald, wo alle Steige noch gemeinsam verlaufen. Es geht in vielen Kehren bergauf und ich fürchte schon, dass wir auf dem falschen Weg sind, aber schließlich gabelt er sich und wir gehen rechts herum, der Ausschilderung „Leitersteig“ folgend. Der Leitersteig führt eine ganze Weile oberhalb des Ortes durch den Wald. Ab und an kann man nach Mittenwald hinunter blicken, aber auch auf die gegenüberliegenden Berge: der Nebel lichtet sich und ab und an sind die Gipfel der Großen Arnspitze und der oberen Wettersteinspitze frei. Endlich kommen wir an die Hängebrücke über die Sulzleklamm, von der ich ziemlich begeistert bin, erinnert sie mich doch an die Brücke über die Gornerschlucht bei Zermatt. Auf der anderen Seite angekommen, können wir lesen, dass die Brücke nun die einst über die Schlucht führenden Leitern ersetzt, denen der Steig seinen Namen verdankt. Hier kommen weitere Wege von Mittenwald und Scharnitz hinauf. Wir folgen dem ausgeschilderten Weg zur Brunnsteinhütte, der in weiten Kehren bergauf führt. Bald überholen wir eine Wandergruppe und können sie ein ganzes Stück hinter uns lassen. Hinter einer größeren Gruppe unterwegs zu sein, die öfter mal stehen bleibt, macht nicht unbedingt Spaß, und die Leute sind auch nett und lassen uns vorbei. Nach ca. 2 ½ Stunden erreichen wir die Brunnsteinhütte (1.560 m). Es ist eine kleine Hütte mit einer hübschen Terrasse und einem guten Speise- und Getränkeangebot. Während wir dort sitzen, kommt auch die Wandergruppe an. „Jetzt wissen wir, warum ihr so schnell gegangen seid“, rufen sie uns zu. Sie haben den höchsten Punkt ihrer Tour und die Hälfte der Strecke erreicht. Wir haben erst ein Viertel geschafft…
Wir sind aber entschlossen, weiter Richtung Brunnsteinspitze zu gehen. Von der Hütte aus ist der Weg etwas anspruchsvoller. Es gibt einfache Abschnitte, aber auch felsige, wo man die Hände kurz zu Hilfe nehmen muss, manchmal steigt man über Baumwurzeln und es gibt auch drahtseilversicherte Passagen. Der Weg ist rot markiert, das bedeutet „mittelschwer“. Man sollte gut auf den Verlauf achten. An einer Stelle gehen wir falsch, geradeaus statt rechts herum. Plötzlich sehe ich weiter oben eine Gämse, die auf uns herunter schaut. Vielleicht ist sie verwirrt, weil die Wanderer normalerweise woanders gehen… Da wir bergauf nur noch unter Latschen hindurch robben könnten, wird uns klar, dass wir vom Weg abgekommen sind. Wir finden ihn jedoch schnell wieder. Es gibt einen Abschnitt, wo es steil geradeaus nach oben geht: zunächst ist das gut beherrschbar, aber dann wird es noch steiler und rutschig. Hier sollte man nicht versäumen, sich links herum zu wenden, denn dort ist die rot-weiße Markierung und eine drahtseilversicherte Stelle. Der Steilhang wird umgangen. Es folgen noch ein paar Kehren mit einigen Drahtseilsicherungen, dann steigt man über einen mit ein paar Holzstufen entschärften Abschnitt bis hinauf zum Brunnsteinanger. Bisher war der Gipfel rechts von uns im Nebel gewesen, nun wird die Sicht besser. Hier oben verläuft die Grenze zu Österreich. Links herum geht es zum Mittenwalder Klettersteig, rechts herum zur Brunnsteinspitze. Es ist nun nicht mehr weit. Zunächst erreicht man über einen relativ bequemen Weg die Rotwandspitze (2.190 m). Die Aussicht ist phantastisch. Ganz besonders beeindruckend ist die gegenüberliegende Pleisenspitze, aber auch die Vogelkarspitze und die Östliche Karwendelspitze (die ich gut erkenne, weil sie in unserer ursprünglichen Tourenplanung enthalten waren), sind gut zu sehen, weiter südöstlich die Ötztaler und Zillertaler Alpen. Wir können auch bis hinunter nach Scharnitz sehen. Auf einem Pfad, der unterhalb des Grates zwischen Rotwandspitze und Brunnsteinspitze (2.180 m - mit Gipfelkreuz) verläuft, geht man doch besser, als es zunächst aussieht. Am Gipfelkreuz weht ein kräftiger Wind, so dass wir uns nicht lange aufhalten und wieder zurück gehen. Erst unterhalb des Brunnsteinangers machen wir an einer geschützten Stelle Rast. Von der Hütte bis zum Gipfel haben wir 1:45 gebraucht. Obwohl wir gefühlt nur langsam vorwärts gekommen sind, waren wir doch schneller oben als ausgeschildert (2 ½ Stunden am Wegweiser).
Wir rechnen uns aus, pünktlich zum Kaffeetrinken wieder an der Brunnsteinhütte zu sein. Das Kuchenangebot habe ich mir gemerkt und somit sind wir für den Abstieg auf diesem Weg motiviert. Man kann von der Brunnsteinspitze auch über den Pürzlgrat nach Scharnitz absteigen, aber der Grat sieht gar nicht einladend aus, der Weg gilt auch als schwieriger als unserer. Während des Abstiegs finden wir den Weg gut, wir kennen ihn ja schon. Christian ist einen Moment lang unaufmerksam und stolpert über eine Wurzel – glücklicherweise ist der Steig an dieser Stelle weder schmal, noch ausgesetzt. Dies beweist aber, dass er durchaus seine Tücken hat! Kurz nach halb vier kommen wir an der Brunnsteinhütte an und können Kaffee und Kuchen genießen. Es ist sonnig geworden, aber unsere beiden Gipfel sind wieder im Nebel verschwunden. Glück haben wir gehabt!
Zweieinhalb Stunden werden wir noch bis zu unserer Ferienwohnung in Mittenwald gehen. Bis zur Wegkreuzung an der Hängebrücke geht es auf dem gleichen Steig abwärts, den wir hinauf gegangen sind. Dann wählen wir den direkten Weg nach Mittenwald, der weit vor dem Ort ins Tal führt. Von hier aus müssen wir noch ein ganzes Stück auf Asphalt gehen, was in Bergschuhen weniger angenehm ist – da war der Leitersteig die deutlich angenehmere Variante. Kurz nach 18 Uhr sind wir wieder in unserem Quartier. Aufgebrochen waren wir 8.45 Uhr. Während unserer Tour haben wir 15,3 Kilometer zurückgelegt sowie 1.250 Höhenmeter. (Foto: Rotwandspitze, dahinter die Brunnsteinspitze)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen