Gestern tat es mir ein wenig leid, dass wir bei schönstem
Sommerwetter aus der Silvretta ins Tal zurückkehren mussten. In Schruns
bemerkten wir aber auch, wie viele Ausflügler hier am Wochenende ankommen,
davon viele mit dem Ziel Silvretta. Da war es ganz gut, den Strömen von
Wanderern entkommen zu sein. Für heute war wieder ein sommerlicher Tag
angekündigt und wir hatten nun Gelegenheit, zu einer weiteren Wunsch-Tour
aufzubrechen, für die wir sonst womöglich keine Zeit gefunden hätten. Sie
führte uns nicht ins Rätikon, sondern ins Verwall. Wir nahmen den Bus von
Schruns Bahnhof nach Bartholomäberg-Innerberg. Der Wanderführer rät, in
Innerberg an der Kirche auszusteigen, aber wir fanden nur den Wegweiser, aber
nicht den Weg. Man steigt unserer Meinung nach besser bei der nächsten
Haltestelle, der Endstation, aus und folgt dem markierten Wanderweg, der links
vom Parkplatz bergauf verläuft, Richtung Fritzen-See. Einige wenige Wanderer
waren außer uns auf dieser Genießer-Tour unterwegs. Der Wegverlauf war ausgesprochen
idyllisch: immer am Hang entlang, mal über Wiesen und an hübschen Höfen und
Grundstücken vorbei, mal durch kurze Waldabschnitte, was vorübergehend an
diesem sonnigen, warmen Tag sehr angenehm war. Nun hatten wir immer wieder den
so ersehnten Blick ins Rätikon, auf Tilisuna-Seehorn, Sulzfluh, die Drei Türme
und die Drusenfluh sowie auf Zimba und Schesaplana. Die Gipfel der Zimba und
Schesaplana hüllten sich bald wieder in Wolken, während die anderen noch länger
zu bestaunen waren. Wir folgten dem ausgeschilderten Weg Wannaköpfle über
Monteneu, einem Aussichtspunkt. Bald erschien auch der Itonskopf auf dem
Wegweiser mit dem Zusatz „für Geübte“. Ob man geübt genug für einen solchen
Gipfel ist, kann einem kein Wanderführer sagen – das entscheidet man am besten
selbst vor Ort. Zuerst jedoch ging es hinauf zum Wannaköpfle (2.032 m). Der
Berg, den wir über den Wanderweg erreichten, ist nicht besonders steil und es
gab auch kein Hinweisschild oben. Während die anderen Wanderer weiter Richtung
Itonskopf gingen, lockte uns der nur wenig entfernte Nebengipfel, den man
relativ gut über Trittspuren erreicht. Dort oben gab es sogar eine kleine Bank!
Nachdem wir dort kurz gerastet und fotografiert hatten – man hat einen
wunderbaren Blick in das Lechquellengebirge mit der Roten Wand – kehrten wir
zurück zum markierten Wanderweg Richtung Itonskopf. Bald wurde der Weg
blau-weiß markiert und an einem felsigen Hangabschnitt unterhalb des Gipfels
wurde uns auch klar, warum: da muss man sich an einigen Stellen am Fels festhalten
und der Pfad ist sehr schmal. Dann sahen wir die Seilsicherungen am
Itonskopf und schätzten den Aufstieg als für uns machbar ein: mit Ruhe würden
wir das schon schaffen. Der Itonskopf ist mit 2.089 m nicht sehr hoch, aber
recht steil. Am Fuß des Berges fanden wir dann auch ein Warnschild „Alpiner
Steig“ vor. Mit Vorsicht und unter Benutzung der Seilsicherungen – vor allem beim Abstieg – kamen wir aber
recht zügig vorwärts. Auf dem Gipfel ist nicht allzu viel Platz: mehr als acht
bis zehn Leute können dort oben nicht rasten. Die Aussicht ist wundervoll. Als
ich allerdings einen Gleitschirmflieger hoch über dem Tal beobachtete, wurde
mir doch etwas komisch. In solchen Momenten ist es hilfreich, feste Punkte in
der Landschaft zu betrachten, mit denen man kein Problem hat: ich konzentrierte
mich auf den gegenüberliegenden Alpilakopf, einen sehr angenehm aussehenden
Gipfel, den wir auch noch besteigen würden. Allzu lange hielten wir uns auf dem
Itonskopf nicht auf, weil es bereits 13.30 Uhr war und wir bisher nur die erste
Hälfte der Tour absolviert hatten. Nach einer weiteren kurzen Rast auf dem
Alpilakopf gingen wir den markierten Weg Richtung Kristbergsattel über Falla. Wir
liefen bergab über eine große Weidefläche „Obere Wies“. Dort erhebt sich ein
kleiner bewaldeter Felsen, ein ehemaliges Korallenriff – heute Naturdenkmal. Der
Weg umgeht einen weiteren Berg, das Schwarzhorn, und kommt dem
Lechquellengebirge noch näher. Der Anblick dieses Gebirgszuges ist
beeindruckend. Die weiteren Aussichtspunkte Falla und Ganzaleita lassen einen
wieder über die Gipfel des Lechquellengebirges und der Verwallgruppe bis zur
Silvretta blicken. Aber die für den nächsten Tag angekündigte
Wetterverschlechterung war spürbar: immer mehr Wolken türmten sich über den
Bergen. Wir hatten beide unseren Trinkvorrat zu knapp bemessen und gingen daher
nicht mehr weiter bis zum Kristbergsattel, sondern nahmen gleich den Abzweig
nach Innerberg. Aber wir hatten Glück: nach einigen hundert Metern trafen wir
auf einen steinernen Wasserbehälter am Wegrand, in den Wasser aus einer Leitung
läuft, so dass wir Trinkflasche und Trinkblase füllen konnten. Entspannt gingen
wir auf dem guten Weg am Hang weiter, sahen bald Innerberg vor uns liegen und
entschlossen uns, noch bis zur Kirche in Bartholomäberg zu gehen, wo der Bus
nach Schruns abfährt. Wir mussten dieses Mal auch nicht lange warten. Eine
wirkliche Traumtour über mehrere Gipfel und mit viel Aussicht – auch am
Wochenende nicht überlaufen! Wir sind 18,5 km gegangen, es waren 1.400 Höhenmeter
im Anstieg und ebenso im Abstieg. Die Wanderung war angenehm für uns bemessen:
notfalls hätte ich noch weiter bis nach Schruns gehen können, aber es ist gut,
wenn man nach der Tour nicht völlig erledigt ist.
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