Dienstag, 3. September 2013

03.09.13 Tilisunahütte – Sulzfluhgipfel – zurück nach Latschau



Genau so schön, wie die Berge bei Sonnenuntergang waren, wirkten sie auch am Morgen. Es war beeindruckend, auf über 2.200 Metern Höhe aufzuwachen und durchs Fenster über die Gipfel zu schauen! Im Matratzenlager war es warm und gemütlich, geschlafen haben wir allerdings weniger gut. Man schläft meist nicht besonders gut in Berghütten. Kurz vor acht Uhr, nach dem Frühstück, starteten wir Richtung Sulzfluhgipfel. Die Zeit war mit zwei Stunden von der Hütte aus angegeben – beinahe ein Spaziergang! Es ging anfangs doch recht steil bergauf. Die Sicht war bald überwältigend: man sah die weißen Gipfel der Berninagruppe, die markanten, vergletscherten Silvretta-Riesen und auch die Berge um Davos, die wir größtenteils gut kennen. Die Aussicht wurde immer grandioser, umso höher wir gelangten. Wir gingen ein ganzes Stück beinahe ohne Höhengewinn, dann stieg der Weg nochmal an. Die Sulzfluh (2.818 m) gilt als der am leichtesten zu besteigende Rätikongipfel, aber man sollte sie keinesfalls unterschätzen. Aus dem Tal gelangt man auf den Gipfel besser mit einer Zwischenübernachtung, und gutes Wetter ist ebenfalls vonnöten. Drei Wege und zwei Klettersteige führen hinauf. Der Weg von der Tilisuna-Hütte aus ist für einigermaßen trittsichere und konditionierte Wanderer problemlos zu schaffen, und er ist auch eine richtige Genießer-Tour. Wir gingen über das weite, leicht ansteigende Sulzfluh-Plateau, das ich mir so oft auf Videos angesehen habe, und waren gegen 10 Uhr auf dem Gipfel. Es war noch ausgesprochen ruhig und beschaulich dort oben. Im vergangenen Jahr waren wir erst mittags dort und trotz der Schneelage waren unentwegt Menschen auf dem Weg nach oben. Nun hatten wir also ideale Verhältnisse erwischt für eine gemütliche Gipfelrast. Keine Wolke war am Himmel, wir hatten wundervolle Aussicht nach allen Seiten. Dann machten wir uns an den Abstieg. Wir hätten natürlich wieder zur Tilisunahütte zurückgehen, Pause machen und über den Bilkengrat –ebenfalls ein sehr attraktiver Weg, rot-weiß  – zur Lindauer Hütte gehen können, aber wir kannten nun einmal den direkten Weg nach unten durch den Rachen (blau-weiß) und es ergab sich, dass wir ihn auch dieses Mal ansteuerten. Mit uns waren noch ein Paar und eine dreiköpfige Familie dort unterwegs. Sieht man von oben aus in den Rachen hinunter, wirkt der Weg noch etwas bedrohlicher als von unten nach oben. Bei Schnee allerdings sollte man ihn eher meiden – oder gut kennen. Vor einem Jahr sind wir ihn ganz naiv gegangen und hatten das Glück, zwei erfahrene Bergsteiger vor uns zu haben, denen wir folgen konnten. Damals hatte es über Nacht geschneit und wir konnten die Markierungen nicht sehen. Nun trauten wir uns zu, den Weg langsam und vorsichtig hinunter zu gehen. An manchen (leichten) Kletterstellen mussten wir uns unseren Weg suchen, teilweise war es steil, teils ging es in feinem Geröll bergab. Erstmals bin ich in diesem feinen Schotter stellenweise „abgefahren“ wie auf Skiern, nur fühlt man sich mit Bergschuhen sehr viel sicherer. Der Weg durch den Rachen ist dennoch fordernd, weil sehr steil. Kommt man auf dem ebenen Stück an, wo auch der Weg zum Klettersteig „Gauablickhöhle“ abzweigt, ist man noch lange nicht im Tal angelangt. Auch der folgende Abstieg erfordert Aufmerksamkeit und kostet Kraft, weil etliche steilere Felsabschnitte überwunden werden müssen. Aber wir sind doch viel schneller als erwartet vorangekommen. Ich hatte damit gerechnet, dass wir gegen 16 Uhr an der Lindauer Hütte (1.744 m) ankommen würden, aber wir waren bereits 14.15 Uhr dort. Zunächst hatte ich das Gefühl, nicht mehr weiter gehen zu können, aber nach einer Pause im Schatten und einer Stärkung entschlossen wir uns, nicht wie geplant in der Hütte zu übernachten, sondern noch bis nach Latschau weiterzugehen, wo der Ortsbus nach Tschagguns abfährt. Die nahe liegenden Gipfel würden wir auch innerhalb einer Tagestour besteigen können, und außerdem lockte es uns, zurück in unsere schöne Ferienwohnung zu kehren, wo wir mit Sicherheit paradiesisch schlafen würden! Wir sind sehr stolz, ein zweites Mal „durch den Rachen“ gegangen zu sein, und unsere wunderschöne Tour zur Sulzfluh erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Gipfelerlebnisse können lange und intensiv nachwirken, Kraft und Glücksgefühle spenden. Berge lehren Achtsamkeit. Ich würde die Sulzfluh immer wieder gern besteigen, aber nach einer solchen Tour konnten wir nicht gleich eine weitere konditionell fordernde anhängen. Wir wohnen nicht nahe genug an den Alpen, um mal über ein Wochenende hinzufahren, und uns fehlt in diesem Jahr das Wander-Training. Wir haben  15,3 Kilometer zurückgelegt, 875 Höhenmeter im Anstieg und 2.000 Höhenmeter im Abstieg.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen